Es ist vielleicht Luis Buñuels bekanntester Film, auch wenn er den meisten Lesern sicherlich eher aufgrund des heiß diskutierten
Un chien andalou ein Begriff ist. Die Rede ist in diesem Fall aber von Belle de jour, der 1967 in die Kinos kam und aufgrund der Thematik nicht minder kontrovers aufgefasst wurde wie des Regisseurs berühmter Kurzfilm. Wie bei allen Filmen Buñuels ist es vor allem die Deutung, die dem Zuschauer zum Teil zu schaffen macht und auch hier gibt es Gerüchte,
dass sich der Meister selbst bei mancher Szene, speziell beim Ende, nicht ganz so sicher gewesen sein soll, wie man es zu interpretieren habe. Doch zunächst einmal zur Story.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die frisch verheiratete Ehefrau eines Arztes, Séverine, gespielt von der wunderbaren Catherine Deneuve, deren Eheleben wahrlich nicht als ideal zu bezeichnen ist. Körperlicher, sinnlischer Kontakt zu ihrem Ehemann Pierre ist nahezu nicht möglich, stattdessen flüchtet sie sich in erotische Tagträume, die als verbindende Komponente stets die Erniedrigung Séverines zum Thema haben. Durch ihre Bekannten erfährt Séverine wenig später von Frauen, die in Bordellen anschaffen gehen und auch die Adresse eines solchen Etablissements wird beiläufig an sie herangetragen. Selbst nicht genau wissend, was sie dorthin zieht, begibt sie sich zu jenem "Maison" und zu Madame Anais, die den Betrieb führt. Nach anfänglichem Zögern arbeitet sie weniger später dort als Belle de jour an den Nachmittagen. Interessanter Nebeneffekt dieser Tätigkeit ist, dass sie sich auch gegenüber ihrem Ehemann zu öffnen scheint. Verhängnisvoll wird das Ganze erst, als sich der Gauner Marcel in Séverine alias Belle de jour verliebt und sie nicht nur in ihrer Arbeitszeit treffen wird. Die Geschichte steuert auf eine Tragödie zu...
Erneut setzt sich Buñuel mit der bürgerlichen Gesellschaft, der sog. Bourgeoisie, auseinander, einem Thema, welches sich durch diverse seiner Werke zieht und er zeichnet in Belle de jour speziell ein recht verstörendes Bild der Ehegemeinschaft, denn diese Lethargie, ja fast schon Kälte, in der Ehe zwischen Séverine und Pierre ist schon sehr verwunderlich, speziell angesichts der Tatsache, dass es sich bei beiden Personen um höchst attraktive Menschen gibt, doch in ihren schönen Hüllen brodelt es, was vor
allem durch Séverines Tagträume an den Vorschein kommt. Die Vermischung von Traum und Realität ist auch in diesem Film ein tragendes Element, wenngleich uns Buñuel insofern einen vermeintlichen Gefallen tut, als dass man die Szenen fast immer eindeutig zuordnen kann, was bei seinen Werken auch nicht immer an der Tagesordnung ist, wobei man sich ja nie hundertprozentig sicher sein kann. Kein Wunder, dass der Film aufgrund der Thematik durchzogen wird von einer erotischen Grundatmosphäre aber der Film leistet sich nie einen Fehltritt, in dem er zu obszön oder plump wirkt. Die Inszenierung ist höchst kunstvoll gehalten und Buñuel weiß, wie er nicht nur Deneuves traumhaften Körper in Szene setzen kann, sondern auch ihr Schauspieltalent ausreizen kann, denn das Spiel ist ein entscheidener Faktor, der zum Gelingen des Filmes beiträgt. Dabei ist es vor allem diese lethargische Antriebslosigkeit, die Gelangweiltheit aber auch der Stolz, die Eleganz und die Anmut, die von ihr perfekt dargestellt werden und speziell dieser Cocktail und das durchaus Mysteriöse machen die Person der Séverine/Belle de jour so interessant. Und dann ist da noch das Ende und erneut die Frage, was war Traum und was war Realität und auch das macht der Reiz der Geschichte aus. Man muss sich drauf einlassen können, denn der französische Film bietet nicht nur Gore und Splatter sondern auch das, was ihn schon Jahre davor gefürchtet gemacht hat: anspruchsvoll, fantastische Geschichten. 09/10
Auch dieser Post entstammt meinem Thread im Schnittberichte-Forum, wo ich wöchentlich einen "Klassiker" meiner Wahl vorstelle:
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