Die interessantesten Geschichten schreibt noch immer das Leben. Unter der Prämisse, Boris Karloff schulde ihm noch zwei Drehtage und er müsse Stockfootage aus The Terror - Schloss des Schreckens (1963) benutzen, genehmigte der legendäre Roger Corman Peter Bogdanovichs ersten bekannten und von der Kritik geschätzten Kinofilm: Targets bzw. Bewegliche Ziele – so der deutsche Titel.
Anstatt jedoch aus dem Stockfootage und eigenem Material ebenfalls in Richtung Gothic-Horror zu gehen, entschied sich Bogdanovich, im Stile des aufblühenden New Hollywood-Kinos, den Horror der Neuzeit auf die Leinwand zu bannen und gleichzeitig schuf er einen letzten Genrehöhepunkt für den Altmeister Boris Karloff.
Die Geschichte erstreckt sich dabei in zwei zunächst parallelen Handlungssträngen. Auf der einen Seite verfolgt der Zuschauer den gealterten Horrorstar Byron Orlok (Boris Karloff), der, sichtlich unzufrieden mit seinem letzten Film, nach einem Testscreening – das Material von The Terror wird hier teilweise eingesetzt – sein Karriereende bekannt gibt. Für seinen Regisseur Sammy Michaels (Peter Bogdanovich) ist das ein Schock, hat er doch die perfekte Rolle für Orlok in seinem nächsten Film, der ganz anders sein soll, als die bisherigen Produktionen mit ihm. Doch Orlok lässt sich nicht umstimmen, auch wenn Michaels ihn immer wieder bedrängt. Orlok ist sich sicher, dass die (Schauspiel)Zeit für ihn abgelaufen sei und die Menschen Angst vor ganz anderen Dingen hätten als noch vor 30-40 Jahren. Nur zu einem letzten Auftritt lässt er sich überreden: die Vorstellung seines neusten Films in einem örtlichen Autokino.
Nahezu gleichzeitig beobachtet man Bobby Thompson (Tim O’Kelly), Typ Nachbarn von nebenan, wie er in einem Waffengeschäft ein Gewehr kauft. Anfangs nichts Ungewöhnliches, doch ein Blick in seinen Kofferraum verheißt nichts Gutes: ein ganzes Waffenarsenal führt er mit sich. Zusammen mit seiner Frau und seinen Eltern wohnt er in einem Einfamilienhaus. Der Zuschauer merkt, dass es in ihm brodelt, und auch Bobby bemerkt seine Entwicklung, doch zu einem Gespräch mit seiner Frau kommt es nicht mehr, da sie während des täglichen Trotts scheinbar keine Zeit für eine Aussprache haben. So folgt der Ausbruch des Vulkans wenige Tage später und Bobby erschießt erst seine Frau, dann seine Mutter und zieht, bis an die Zähne bewaffnet los, um von Industriesilos vorbeifahrende Autos auf dem Highway zu beschießen. Als die Polizei dies bemerkt, flüchtet er und sucht sich ein neues Ziel, indem er sich hinter der Leinwand des nächsten Autokinos verbarrikadiert…
Nun braucht man sicherlich kein Filmstudium um zu erahnen, dass es schlussendlich zu einem Aufeinandertreffen zwischen Byron und Bobby kommen muss, dem modernen Horror und der „antiken“ Variante, doch bevor es soweit ist, bekommt der Zuschauer erst einmal einen Einblick in das Leben der 60er, eine Zeit, die auch Byron nicht mehr zu verstehen scheint. Der Wandel in der Gesellschaft wird also anhand zweier Personen, Byron und Bobby, dargestellt. So ist vor allem die mangelnde Kommunikation der Menschen zu beobachten, die im Falle von Bobby zwar unter einem Haus leben, sich aber nur über Nichtigkeiten austauschen oder gemeinsam die Abende vor dem Fernseher verbringen, wenngleich Bobby seine Probleme gegenüber seiner Frau andeutet, die ihn aber zurückweist.
Byron hingegen ist es Leid, wie ein Relikt vergangener Tage in miserablen Produktionen angegafft zu werden – ein nicht zu übersehender Seitenhieb auf so manch filmischen Ausrutscher in Karloffs Karriere.
So ist der Film nicht nur von der Story her zweigeteilt, sondern auch von der Atmosphäre. Immer wenn Bobby zu sehen ist, macht sich ein Gefühl von Unbehagen breit, diese latente Gefahr, die Ruhe vor dem Sturm und man denkt, er könne jederzeit explodieren. Byrons Part wirkt dagegen viel gelöster, was auch an Sammys Charakter liegt, der ja versucht, Byron noch umzustimmen und so z.B. mit ihm einen Trinkabend in seinem Hotelzimmer veranstaltet, inkl. Kater und einem „schrecklichen Erwachen“. Hier zeigt Karloff auch ungeahnte komödiantische Talente. Deutlich merkt man auch den New Hollywood-Einschlag. Einerseits anhand der Thematik und andererseits an der Optik des Films. Besonders die Außenaufnahmen wurden hier im Guerilla-Stil ohne Genehmigungen gedreht und auch sonst wird bei der Inszenierung auf das Opulente der Spät 50er und 60er Jahre verzichtet und so gibt sich der Film passend zu seinem Thema recht nüchtern, was sich auch im Fehlen eines Score niederschlägt.
Mit Targets ist Bogdanovich jedenfalls ein überaus intelligenter und packender Film gelungen, der jedem Interessierten ans Herz gelegt werden kann: 08/10.
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