Es ist 09.05pm in Paradise City als der Zuschauer zum ersten Mal auf den Helden des heutigen Abends trifft.
Die Zeitungsjungen verkünden draußen die wichtigsten Informationen zu den abendlichen Boxkämpfen, während Stoker Thompson (Robert Ryan), einer dieser neuzeitlichen Gladiatoren, noch in seinem Hotelzimmer gegenüber der Boxhalle wartet. Einen Kämpfer stellt man sich jedoch anders vor. Mit weit über 30 Jahren gehört er schon längst zum alten Eisen und seine katastrophale Kampfbilanz spricht Bände. Trotzdem geht Stoker noch immer diesem Sport nach, denn die Hoffnung, noch einmal zu siegen und vielleicht doch noch den Großen Sprung zu schaffen, hält ihm am Leben. Julie (Audrey Totter), seine Frau, kann es indes nicht mehr ertragen, wenn ihr Mann zusammengeschlagen wird und nach einem Kampf schwer gezeichnet nicht einmal mehr weiß, wer er ist und so schlägt sie auch zum ersten Mal die Bitte ihres Gatten aus, sich den Kampf anzuschauen.
Quasi zur gleichen Zeit manipuliert Stokers Manager Tiny den Kampf gegen Tiger Nelson und verspricht dem anderen Lager gegen eine kleine Gebühr, dass Stoker verlieren wird. Aufgrund der früheren Resultate ist man sich der Sache so sicher, dass man nicht einmal Stoker selbst einweiht und so sackt Tiny das Geld ganz allein ein.
72 Minuten später, um 10.17pm werden Film und Kampf beendet sein.
Bevor nun aber die letzten Bilder über die Leinwand flackern, nimmt uns Regisseur Robert Wise (The Haunting, West Side Story) mit auf eine Tour de Force, auf einen Ausflug, der den täglichen Kampf ums Überleben zeigt. Es ist der Ring, der hier allegorisch den Mittelpunkt der Geschichte bildet. Doch bevor Stoker die Boxhandschuhe überziehen darf, nimmt sich Wise viel Zeit, um die Spannung aufzubauen und die Menschen zu zeigen, die auf der jeweiligen Seite des Rings aktiv sind. Spätestens mit dem Betreten der Umkleidekabinen merkt dann auch der Letzte, dass wir es hier nicht mit dem Madison Square Garden zu tun haben. Es ist viel mehr eine dieser Boxhallen im Lande, die für viele Kämpfer einen Scheideweg darstellen. Nur für wenige, wie z.B. für Luther Hawkins – die Hauptattraktion des Kampfabends - , scheint der Weg nach oben zu weisen, während sich der Rest, Kämpfer wie eben auch Stoker, kontinuierlich auf dem absteigenden Ast befinden. Dem Boxzuschauer scheint es dafür weitestgehend egal zu sein, wer sich die Köpfe einschlägt und so wird das brave bürgerliche Gesicht auch mit dem Betreten der Halle abgelegt und man schreit nach Blut und Härte, während man mit dem anderen Ohr gerade ein Baseballspiel verfolgt oder sich den dritten Hot Dog einverleibt.
Was ist es, das den Menschen am Ende am Leben erhält? Für Stoker mag es Hoffnung sein aber nachdem er mitbekommen hat, dass der Kampf manipuliert wurde, sind es Stolz und Ehre, die ihn weiterkämpfen lassen und so schafft er das Unerwartete und schickt Tiger Nelson in der letzten Runde zu Boden.
The Set-up, das ist Film Noir pur. Dies schlägt sich nicht nur in der Story nieder sondern auch in der Ästhetik des Films. Wise, dessen filmische Ursprünge im Bereich des Filmschnitts liegen und der u.a. auch Citizen Kane auf seinem Cutterpult hatte, hat ein geniales Gespür für Räume und Montagen und in Kombination mit der Kamera Milton R. Krasners kreierte er einen unverkennbaren, genialen Look. So können die Boxszenen – Ryan war übrigens selbst Amateuerboxer – auch heute noch viele thematisch ähnlich gelagerte Filme in die Tasche stecken und der Einsatz von verschiedenen Kameras außerhalb des Rings zahlte sich aus. Nicht weniger grandios sind die Montagen, die mit Julies Stadtbummel einhergehen, was schlussendlich in dem eindrucksvollen Zerreißen der Eintrittskarte kulminiert. Ein Beispiel für Wises Gespür für Räume ist sicherlich die Szene kurz vor Ende, als Robert Ryan durch die menschenleere Halle rennt. Untermalt wird das ausgezeichnete Bild des Films durch die Schauspieleinlagen. Robert Ryan nimmt man seine Rolle jederzeit ab, auch wenn die Vorlage eigentlich einen schwarzen Helden vorgesehen hat – nur gab es zu der Zeit keine schwarzen Filmstars - , während Audrey Totter wesentlich mehr ist als nur hübsches Beiwerk.
Insofern ist es, dass diese RKO-Produktion aus dem Jahre 49 fast ein wenig in Vergessenheit geraten ist, während Mark Robsons Champion und Robert Rossens Body and Soul weit öfter genannt werden, wenn es über das Thema Boxen im Kontext des Film Noirs gesprochen wird. Dabei braucht sich The Set-Up vor seiner namhaften Konkurrenz nicht verstecken, zählt er doch zu Robert Wises besten Filmen und unter Noirheads ist der Film definitiv ein Must-See – für den filmisch interessierten Rest übrigens auch.
Inzwischen ist es 10.17pm – und ja, der Film spielt in Echtzeit – und Stoker Thompson muss nun die Konsequenzen seiner Entscheidung tragen, denn so ist das Leben.
Montag, Juli 05, 2010
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1 Kommentar:
Ja, der Film ist wirklich eine kleine Perle. Bin damals auch nur aufgrund der Empfehlung eines Freundes über ihn gestolpert...
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