Auf den ersten Blick mag Jean-Pierre Melvilles 
Le Silence de la Mer ein wenig atypisch wirken, wurde Melville doch vor allem aufgrund seiner Gangsterfilme wie zum Beispiel 
Le Samouraï (1967) oder Le Cercle Rouge (1970) bekannt. Doch auch das Thema Résistance ist in seinen Filmen präsent, vor allem in 
L’Armée des Ombres und eben jenem Film, um den es in diesem Text geht. Dabei ist
 Le Silence de la Mer  nicht nur aufgrund seines Inhalts von großem Interesse, es ist auch die  Entstehungsgeschichte und die Bedeutung für das Filmland Frankreich als  Solches, die diesem Film einen Platz in den Annalen eingebracht hat.
Unabhängig und gegen den Willen der Filmgewerkschaften gedreht, ebnet  Melville so auch den Weg für die Nouvelle Vague, wenngleich er Ende der  40er Jahre erst einmal genug Probleme damit hatte, den Film überhaupt machen zu können bzw. zu dürfen.

 Die Geschichte basiert nämlich auf  einem Roman des Schriftstellers Vercors, der zur Zeit der Okkupation  Frankreichs im Untergrund veröffentlicht wurde. Melville, selbst  Mitglied der Résistance, hatte große Schwierigkeiten, Vercors‘  Einverständnis zu bekommen. So schlug Melville vor, den fertigen Film  einer Gruppe ehemaliger Résistancemitglieder, darunter auch Vercors, zu  zeigen und diese sollen dann entscheiden, ob der Film werkgetreu ist und  aufgeführt werden kann. Es wurde für den Film votiert.
Die  Geschichte selbst spielt in einem kleinen französischen Dorf im Jahr  1941. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht werden diverse  Wohnhäuser requiriert, damit diese als Offiziersunterkünfte dienen  können. Eines jener Häuser wird von einem Onkel (Jean-Marie Robain) und  seiner Nichte (Nicole Stéphane) bewohnt. Als unbeliebter Untermieter  zieht der deutsche Offizier Werner von Ebrennac (Howard Vernon) ein.  Jeden Abend, erst zögerlich, später dann aber wie selbstverständlich,  gesellt sich von Ebrennac zu den beiden Hausbewohnern vor dem Kamin, um  in ausführlichen Monologen, seine Weltsicht darzulegen und seine Liebe  zu Frankreich zu gestehen. Als Zeichen des Widerstands wechseln der  Onkel und die Nicht kein Wort mit von Ebrennac und hören schweigend zu.  Die Szenerie ändert sich jedoch, als von Ebrennac Urlaub in Paris macht  und sich dort mit alten Kameraden trifft, die seine frankophile Ader  nicht nur nicht teilen, sondern auch davon sprechen, wie alles  Französische nach dem Endsieg vernichtet werden soll. Um nicht selbst  Teil dieser Maschinerie zu werden, meldet sich von Ebrennac nach seiner  Rückkehr in das Haus des Onkels freiwillig zur kämpfenden Truppe.
Stille, das ist das zentrale Thema der Geschichte, und so betritt  Melville bei der Adaption des Stoffes auch Neuland, indem er einen  Großteil der vom Onkel gesprochenen Dialoge als Gedanken aus dem Off  sprechen lässt. 

So gibt es während des Films immer wieder Szenen, in  denen das Schweigen zwischen dem Onkel und der Nichte auf der einen, und  von Ebrennac auf der anderen Seite die Spannung in den Höhepunkt  treibt. Untermalt werden diese Momente meist durch das schonungslose  Ticken der Wanduhr. So ist es vor allem das Spiel mit dem Schweigen und  den Hintergrundgeräuschen, das der Szenerie einen unverkennbaren  Charakter gibt und die Distanz zwischen den Charakteren verdeutlicht.  Und doch merkt man im Verlauf, dass sich der Onkel und der Offizier gar  nicht so unsympathisch finden, ertappt sich der Onkel immer wieder  dabei, wie er die Monologe von Ebrennacs genießt. Es  ist im Grunde schon interessant, welch differenziertes Bild hier von  von Ebrennac gezeichnet wird. Man zeigt einen rationalen deutschen  Offizier und das vor dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs, der auch im  Film omnipräsent ist und an verschiedenen Stellen erwähnt und angedeutet  wird – speziell beim Besuch in Paris.  Auch die (passive) Rolle der  französischen Bevölkerung bietet Raum für Interpretationen.
Schwenkt man wieder auf die filmische Ebene zurück, so kommt man  nicht umher, die Kameraarbeit Henri Decaës zu loben, dessen Ausleuchtung  der Szenen fürwahr meisterlich ist. So treiben die gezeigten Bilder den  Film allein voran, ohne dass man viele Worte verlieren muss. Oft sind  es kleine Gesten, Bewegungen, die viel über den Zustand der Charaktere  preisgeben, wenn z.B. die Nichte beim Stricken ist und es eine  Großaufnahme ihrer Hände gibt. Trotzdem ist es am Ende ein Wort, welches  den emotionalen Höhepunkt des Films beschreibt. Ein sanftes „Adieu“,  als von Ebrennac die Beiden verlässt und sie genau wissen, welch  Schicksal den Offizier ereilen wird.
Die Größe 
Le Silence de la Mer in Worten  auszudrücken, ist nahezu unmöglich, da man ihn gesehen haben muss, um  seine Bedeutung für das französische Nachkriegskino zu verstehen und der  Film unterstreicht darüber hinaus, mit welch einem Talent Melville  gesegnet war, um so früh in seiner Karriere solch ein Werk abliefern zu  können: 09/10.