Montag, Dezember 27, 2010

Hunting Party - Wenn der Jäger zum Gejagten wird


Die kuriosesten Geschichten schreibt noch immer das Leben und wenn diese dann noch immer nicht ganz ausreichen, kommt die Filmemacher daher und legen noch eine Schippe nach. So auch Richard Shephard, dessen Hunting Party auf dem Esquire-Artikel What I Did on My Summer Vacation basiert. Im Film wird die Geschichte von zwei Kriegsberichterstattern erzählt. Simon (Richard Gere) und sein Kameramann Duck (Terrence Howard) waren das beste Team, bis Simon bei einem Live-Bericht zum Bürgerkrieg in Jugoslawien die Beherrschung verliert und als Konsequenz seinen Job verliert. Duck wird indes befördert und bekommt einen ruhigen Studiojob. Ihre Wege kreuzen sich fünf Jahre später in Bosnien, als Duck für eine Berichterstattung dorthin fliegen muss. Beim Wiedersehen erzählt Simon ihm von seiner Idee, den gesuchten Kriegsverbrecher Boghdanovic zu interviewen, da er durch Kontakte dessen Aufenthaltsort wisse. Vom Jagdfieber gepackt und vom gemütlichen Bürojob gelangweilt, willigt Duck ein und zusammen mit dem Sohn des Senderchefs, Benjamin (Jesse Eisenberg), machen sie sich auf die Suche. Dass Simon indes ganz andere Pläne verfolgt, die NATO scheinbar gar kein Interesse an der Ergreifung Boghdanovics hat und die drei Journalisten für ein Todeskommando des CIA gehalten werden, das wissen Duck und Benjamin beim Aufbrechen noch gar nicht.
Hunting Party, das ist ein schwarzhumoriges Roadmovie durch die vom Bürgerkrieg geprägte Balkanregion, welches am Ende an seiner Unausgewogenheit ein wenig scheitert. Das Grundgerüst der Geschichte basiert ja, wie schon erwähnt, auf einer wahren Begebenheit. Fünf Journalisten haben sich, geboren in einer bierseligen Runde, auf die Suche nach Radovan Karadžić gemacht und kamen ihm näher, als alle öffentlichen Stellen zuvor. Dies im Hinterkopf habend, erscheinen so einige Szenen im Film noch wesentlich bissiger und skurriler und diese machen auch den Reiz aus, wenn die Drei auf Fahndungsplakate der US-Regierung stoßen, auf denen eine Telefonnummer aufgedruckt ist, die nur innerhalb der USA funktioniert, sie auf NATO-Offiziere stoßen, die entweder vollkommendes Desinteresse haben oder sie für ein "Hit-Team" des CIA halten und Kontakte herstellen, die zum Erfolg führen könnten. Diese ganzen Begebenheiten stechen hervor und bereiten auf der einen Seite natürlich großen Spaß, hinterlassen bisweilen aber auch ein Kopfschütteln angesichts der Geschehnisse. Abgesehen von den leichten Modifikationen der ursprünglichen Story, wartet der Film dann mit einem anderen Ende auf, es wird aber erwähnt, dass dies erfunden ist, und einigen anderen filmspezifischen Änderungen. Speziell die eingebaute Liebesgeschichte rund um Simon, die seine Motivation erklären soll, wirkt deplatziert und aufgesetzt, während man mit dem Ende durchaus leben kann und es auch noch Stoff für Diskussionen bietet. Problematisch sind in Hunting Party jedoch Szenen, wo von absurder Komik zur Kriegsrealität umgeschnitten wird. Jene Wechsel wirken wenig ausbalanciert, stören auch teilweise den Rhythmus des ansonsten leichtfüßig inszenierten Films und können dazu führen, dass die Bindung zum Publikum verloren wird. Auch kann man anführen, dass das höchst komplexe Thema Jugoslawienkrieg nicht dezidiert erörtert wird aber diesen Selbstanspruch hat der Film auch nicht. So bleibt ein überwiegend gutes Bild zurück, was auch an Richard Gere und Terrence Howard liegt, die hier unbeschwert aufspielen können, inklusive dem zu diesem Zeitpunkt (2007) noch relativ unbekannten Jesse Eisenberg. Passend für einen Filmabend mit The Lord of War: 6,5/10.

Samstag, Dezember 18, 2010

Videocracy


Als Außenstehender mag man über die Verhältnisse in der italienischen Politik oftmals nur mit dem Kopf schütteln, wenngleich es schon erstaunlich ist, wie ein Mensch der Marke Silvio Berlusconi, dessen Auftritte in der Öffentlichkeit zumindest nie langweilig sind, seit Jahren, wenn auch nicht durchgehend, Ministerpräsident Italiens sein kann.Erik Gandinis Videocracy liefert in der Hinsicht auch keine klaren Antworten, versucht aber, die Rolle des Fernsehens innerhalb dieses Systems zu beleuchten - natürlich aufgrund der Tatsache, dass Berlusconi nicht nur Ministerpräsident ist, sondern auch ein Medienmogul. Wer jetzt hofft, Gandini würde im Stile eines Michael Moore polemisch und fragwürdig abrechnen wollen, der dürfte von jenem Dokumentarfilm enttäuscht werden. Gandinis Herangehensweise ist vielleicht ein wenig unkonventionell. So greift der Erzähler nur selten ein, da Gandini die Bilder und Szenen für sich sprechen lassen will. Auf der einen Seite wird der Zuschauer so natürlich angeregt, sich seine eigenen Gedanken zu machen, andererseits wirken viele Szenen wirrkürlich und der Zusammenhang mag nicht immer klar werden. Auch werden die vermeintlich interessanten Aspekte, speziell die Person Berlusconi und seine politischen Entscheidungen betreffend, nur kurz angerissen. Auch wenn die Intention klar zu sein scheint, wünscht man sich hier etwas Augenmerk. Auf der anderen Seite scheint es Gandini zu geniessen, die Oberflächlichkeit des italienischen Fernsehens zu dokumentieren und die zwielichtigen Gestalten, die im Fahrwasser der Unterhaltungsshows als Selbstdarsteller und Strippenzieher zu Reichtum und zweifelhafter Berühmheit kamen. So schließt sich dann auch der Kreis zum Führer, wie Berlusconi von einem der einflussreichsten TV-Produzenten genannt wird und doch hat man das Gefühl, dass Videocracy so viel mehr hätte sein können, als man letztendlich serviert bekommt: 06/10.

Dienstag, Dezember 07, 2010

DVD-News: Koch Media, Sony MOD und Warner MOD

Beginnen wir mit dem Ausblick erst einmal in heimischen Gefilden. Genauer gesagt bei Koch Media. Die Münchner-Truppe gehört zur Speerspitze der dt. Labelzunft wenn es darum geht, Katalogtitel artgerecht an Mann und Frau zu bringen.

Letzte Woche sind zum Beispiel zwei weitere Titel im Rahmen der Film Noir-Reihe erschienen, wenngleich man hier natürlich meckern könnte, dass es eigentlich gar keine Noirs seien. Nichtsdestotrotz ist speziell die Veröffentlichung von Fritz Langs You and Me (Du und Ich) (1938) ein wahres Highlight, feiert der Film damit doch sein weltweites(?) DVD-Debut. Flankiert wird er von Lewis Milestones The General Died at Dawn (Der General starb im Morgengrauen) (1936).



Im Januar kommen dann wieder Westernfreunde zum Zuge, denn dann wird die Edition Westernlegenden fortgesetzt. Je ein Klassiker von Fox und Universal feiern Deutschlandpremiere auf DVD. Delmer Daves The Last Wagon (Der letzte Wagen) (1956) und Cecil B. DeMilles Union Pacific (1939) mit der bezaubernden Barbara Stanwyck. Im Handel ab dem 28.01.2011.


Wechselt man nun auf die andere Seite des Atlantiks, so gibt es einen neuen Schwung Made on Demand-Discs von Sony - erhältlich u.a. bei DeepDiscount:
  • The Deadly Affair (1966) - Sidney Lumet <-> es gibt eine deutsche DVD von Sony
  • Everything's Ducky (1961) - Don Taylor
  • Idol on Parade (1959) - John Gilling
  • Ladies in Retirement (1941) - Charles Vidor
  • Mark of the Gorilla (1950) - William Berke
  • Screaming Mimi (1958) - Gerd Oswald
  • The Wrong Box (1966) - Bryan Forbes <-> es gibt eine britische DVD von Sony

Bei Warner gab es indes in dieser Woche keine großen Neuigkeiten an der MOD-Front. Fast alle Neuerscheinungen stammen aus dem Bereich TV bzw. sind neueren Datums.
Einzig der Western Fort Dobbs (1958) von Gordon Douglas als Remastered Edition ist zu verbuchen.

Sonntag, Dezember 05, 2010

Wen die Geister lieben...


... sicherlich nicht die deutschen Titeltexter, auch wenn sie hier zumindest nicht komplett daneben geschossen haben. Warum man aber in einer Zeit, wo Anglizismen den Sprachgebrauch sowieso schon prägen, nicht bei Ghost Town geblieben ist, kann ich nicht nachvollziehen. Wie dem auch sei, habe ich mich hier in das weite Feld der RomComs gewagt und es auch genossen, was speziell an Ricky Gervais liegt, der hier die Hauptrolle spielen darf. Als Dr. Bertram Pincus, seines Zeichens Zahnarzt, Misanthrop und Hobbyzyniker, tritt er dem Publikum entgegen und erinnert ein wenig an Nicholsons Melvin Udall aus As Good as It Gets, denn auch Pincus hat es am liebsten ruhig und einsam. Insofern übt er auch den passenden Beruf aus, kann er doch seine nervigen Patienten ganz einfach ruhigstellen, indem er diesen allerlei Zahnarztzübehor in den Mund stopft. Pincus Leben gerät jedoch aus den Fugen, als er bei einer Darmsondenuntersuchung für kurze Zeit einen Herzstillstand erleidet. Seitdem kann er tote Menschen sehen und New York wimmelt nur von diesen Zeitgenossen, die, als sie realisieren, dass Pincus sie sieht, diesen auch gleich belagern, damit er ihnen bei nicht erledigten Aufgaben hilft. Unter diesen Toten befindet sich auch der Lebemann Frank (Greg Kinnear), der Pincus dazu überreden kann, seine Ex-Frau Gwen (Téa Leoni) und ihren neuen Verlobten auseinanderzubringen, da letzterer ein fieser Betrüger sei. Dass dem nicht so ist, findet Pincus auch recht bald heraus, doch die Gegenwart von Gwen weckt auch vergessen geglaubte Gefühle.
Nüchtern gesehen, bietet Ghost Town sicherlich kaum revolutionäre Ansätze für das Genre, bewegt sich aber in dessen Grenzen äußerst gekonnt und bedient sich, wie oben ja kurz erwähnt, bei allerlei erfolgreichen Mitstreitern. Der Zuschauer bekommt so einen höchst unterhaltsamen Film vorgesetzt, wobei es speziell Ricky Gervais zu verdanken ist, dass (zumindest) ich einige Male herzhaft lachen konnte. Für die Rolle des Dr. Pincus scheint er wie geboren und in Verbindung mit seinem britischen Akzent, nimmt man ihm die Rolle des misanthropischen Zeitgenossen ohne mit der Wimper zu zucken ab. Auch wenn seine Dialoge nicht ganz so rau sind wie z.B. in seinem Stand-up-Programm, so gibt es doch auch hier einige Zoten, unter anderem bei der Mumienbeschau mit Téa Leonis Gwen. Diese steht sonst aber im Schatten der männlichen Darsteller, auch wenn ihr Charakter als akademisch-tollpatschig angelegt ist, besteht ihre Aufgabe meistens trotzdem darin, eine gute Figur zu machen. Ganz unterhaltsam ist dafür Greg Kinnear als untreuer, toter Ex-Mann, dessen Ableben in der Eröffnungssequenz schon herrlich makaber ist, und der sich im Verlauf des Films mit Gervais einige Scharmützel liefern darf. Auch wenn der Film dann ohne große Überraschungen zu Ende geht, hat man nicht den Eindruck, seine Zeit hier fehlinvestiert zu haben und für einen vergnüglichen Filmabend (zu Zweit) ist der Ghost Town definitiv geeignet. Wer sowieso ein Freund von Ricky Gervais ist, der kommt an diesem Werk eh nicht vorbei: 7/10

Samstag, November 27, 2010

Satan der Rache


Antonio Margheriti, einer jener italienischen Hasardeure, die während ihrer Karriere jedes Genre beackert haben und daher eine bunte Filmographie aufweisen können. Ins Westerngenre hat es Margheriti jedoch nur wenige Male gezogen, wobei da die deutsch-italienische Koproduktion Satan der Rache sein bekanntester und bester Beitrag ist. Wie so oft bedient man sich auch hier dem beliebten Rachemotiv, reichert es aber durch biblische Allegorien an und versucht, die Bildsprache des Horrorfilms ins Westerngenre einfließen zu lassen. Über weite Strecken ergibt das auch eine durchaus unterhaltsame Mischung, denn speziell Klaus Kinski läuft hier als eiskalter Rächer zur Hochform auf, wenn er als Guy Hamilton, der 10 Jahre unschuldig in einem Arbeitslager einsitzen durfte, seinen ehemaligen Freund Acombar (Peter Carsten) und dessen Bande einen nach dem anderen ins Jenseits befördert. Leider und das bricht auch so einigen anderen Genrevertretern den Hals, besteht ein allgemeines Problem beim Aufbau des Films. Nach einer Exposition und dem Servieren der wichtigsten Hintergrund- informationen, setzt im Grunde schon das Finale ein, wenn Hamilton beginnt, mit dem Tornado im Rücken - tolle Idee übrigens - in das Dorf zu reiten und Acombars Mannen umzulegen. Dabei zieht sich dieser Akt durchaus in die Länge, wirkt stellenweise redundant und irgendwie kommt doch der Wunsch auf, einen Mittelteil gehabt zu hätten, der ein wenig Abwechslung in die Sache gebracht hätte. So scheitert Satan der Rache am Ende an seiner eigenen Beschränktheit, macht als Spaghettiwestern aber noch immer genügend Spaß und gehört für Fans sowieso als Standardrepertoire in die Sammlung: 7,5/10.

Mittwoch, November 24, 2010

Das Schweigen des Meeres


Auf den ersten Blick mag Jean-Pierre Melvilles Le Silence de la Mer ein wenig atypisch wirken, wurde Melville doch vor allem aufgrund seiner Gangsterfilme wie zum Beispiel Le Samouraï (1967) oder Le Cercle Rouge (1970) bekannt. Doch auch das Thema Résistance ist in seinen Filmen präsent, vor allem in L’Armée des Ombres und eben jenem Film, um den es in diesem Text geht. Dabei ist Le Silence de la Mer nicht nur aufgrund seines Inhalts von großem Interesse, es ist auch die Entstehungsgeschichte und die Bedeutung für das Filmland Frankreich als Solches, die diesem Film einen Platz in den Annalen eingebracht hat.

Unabhängig und gegen den Willen der Filmgewerkschaften gedreht, ebnet Melville so auch den Weg für die Nouvelle Vague, wenngleich er Ende der 40er Jahre erst einmal genug Probleme damit hatte, den Film überhaupt machen zu können bzw. zu dürfen. Die Geschichte basiert nämlich auf einem Roman des Schriftstellers Vercors, der zur Zeit der Okkupation Frankreichs im Untergrund veröffentlicht wurde. Melville, selbst Mitglied der Résistance, hatte große Schwierigkeiten, Vercors‘ Einverständnis zu bekommen. So schlug Melville vor, den fertigen Film einer Gruppe ehemaliger Résistancemitglieder, darunter auch Vercors, zu zeigen und diese sollen dann entscheiden, ob der Film werkgetreu ist und aufgeführt werden kann. Es wurde für den Film votiert.


Die Geschichte selbst spielt in einem kleinen französischen Dorf im Jahr 1941. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht werden diverse Wohnhäuser requiriert, damit diese als Offiziersunterkünfte dienen können. Eines jener Häuser wird von einem Onkel (Jean-Marie Robain) und seiner Nichte (Nicole Stéphane) bewohnt. Als unbeliebter Untermieter zieht der deutsche Offizier Werner von Ebrennac (Howard Vernon) ein. Jeden Abend, erst zögerlich, später dann aber wie selbstverständlich, gesellt sich von Ebrennac zu den beiden Hausbewohnern vor dem Kamin, um in ausführlichen Monologen, seine Weltsicht darzulegen und seine Liebe zu Frankreich zu gestehen. Als Zeichen des Widerstands wechseln der Onkel und die Nicht kein Wort mit von Ebrennac und hören schweigend zu. Die Szenerie ändert sich jedoch, als von Ebrennac Urlaub in Paris macht und sich dort mit alten Kameraden trifft, die seine frankophile Ader nicht nur nicht teilen, sondern auch davon sprechen, wie alles Französische nach dem Endsieg vernichtet werden soll. Um nicht selbst Teil dieser Maschinerie zu werden, meldet sich von Ebrennac nach seiner Rückkehr in das Haus des Onkels freiwillig zur kämpfenden Truppe.
Stille, das ist das zentrale Thema der Geschichte, und so betritt Melville bei der Adaption des Stoffes auch Neuland, indem er einen Großteil der vom Onkel gesprochenen Dialoge als Gedanken aus dem Off sprechen lässt. So gibt es während des Films immer wieder Szenen, in denen das Schweigen zwischen dem Onkel und der Nichte auf der einen, und von Ebrennac auf der anderen Seite die Spannung in den Höhepunkt treibt. Untermalt werden diese Momente meist durch das schonungslose Ticken der Wanduhr. So ist es vor allem das Spiel mit dem Schweigen und den Hintergrundgeräuschen, das der Szenerie einen unverkennbaren Charakter gibt und die Distanz zwischen den Charakteren verdeutlicht. Und doch merkt man im Verlauf, dass sich der Onkel und der Offizier gar nicht so unsympathisch finden, ertappt sich der Onkel immer wieder dabei, wie er die Monologe von Ebrennacs genießt. Es ist im Grunde schon interessant, welch differenziertes Bild hier von von Ebrennac gezeichnet wird. Man zeigt einen rationalen deutschen Offizier und das vor dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs, der auch im Film omnipräsent ist und an verschiedenen Stellen erwähnt und angedeutet wird – speziell beim Besuch in Paris.  Auch die (passive) Rolle der französischen Bevölkerung bietet Raum für Interpretationen.

Schwenkt man wieder auf die filmische Ebene zurück, so kommt man nicht umher, die Kameraarbeit Henri Decaës zu loben, dessen Ausleuchtung der Szenen fürwahr meisterlich ist. So treiben die gezeigten Bilder den Film allein voran, ohne dass man viele Worte verlieren muss. Oft sind es kleine Gesten, Bewegungen, die viel über den Zustand der Charaktere preisgeben, wenn z.B. die Nichte beim Stricken ist und es eine Großaufnahme ihrer Hände gibt. Trotzdem ist es am Ende ein Wort, welches den emotionalen Höhepunkt des Films beschreibt. Ein sanftes „Adieu“, als von Ebrennac die Beiden verlässt und sie genau wissen, welch Schicksal den Offizier ereilen wird.

Die Größe Le Silence de la Mer in Worten auszudrücken, ist nahezu unmöglich, da man ihn gesehen haben muss, um seine Bedeutung für das französische Nachkriegskino zu verstehen und der Film unterstreicht darüber hinaus, mit welch einem Talent Melville gesegnet war, um so früh in seiner Karriere solch ein Werk abliefern zu können: 09/10.

Montag, November 22, 2010

Flawless - Ein tadelloses Verbrechen


Flawless gehört zu jener Gruppe Filme, die trotz namhafter Darsteller, in diesem Fall Demi Moore und Michael Caine, keine Kinoauswertung spendiert bekommen, sondern ihr Dasein als DVD-Premiere fristen. Im Falle von diesem Film ist dies durchaus ungerecht, haben wir es doch mit einem sympathischen Kriminalfilm zu tun, dessen größter Makel die moralingetränkte Rahmen- geschichte ist. Erzählt wird die Geschichte von Laura Quinn (Demi Moore), Abteilungsleiterin der London Diamond Corp. während der 60er Jahre. Als einzige Frau in einer von Männern dominierten Geschäftswelt hat sie es trotz ihrer fachlichen Qualitäten nicht leicht und wird bei Beförderungen stets übergangen. Tapfer ergibt sie sich ihrem Schicksal, bis sie von Mr. Hobbs (Michael Caine), einem der Hausmeister, darüber informiert wird, dass ihre Entlassung bevorsteht. Hobbs, nun auch kein reiner Philanthrop, möchte Laura für einen wagemutigen Coup gewinnen: ein Einbruch bei ihrem (Noch)Arbeitgeber. Nachdem Quinn überzeugt wurde, man zusammen die nötigen Vorbereitungen traf, steigt der Coup auch wie geplant. Erst am nächsten Morgen erfährt Laura, dass Hobbs nicht mit offenen Karten gespielt hat und sie nur Mittel zum Zweck war.
An dieser Stelle muss ich einfach einwerfen, dass es eine Freude ist, Michael Caine bei der Arbeit zu beobachten. Auch wenn Demi Moore hier die Hauptrolle spielt, ist es Caine, der ihr die Show stiehlt und dem sympathisch wirkenden Hobbs so weitere Facetten gibt. So ist es dann auch durchaus der oben angedeutete Twist, der Flawless - Ein tadelloses Verbrechen ein wenig aufwertet, ist doch die Grundstory nicht sonderlich revolutionär und bedient sich dem Grundschema der Heist/Caperfilme. Solide aber nicht spektakulär ist deshalb das Urteil, wenngleich mir das Ende einige Bauchschmerzen bereitet. Zu viel Gutmenschentum und Altruismus lassen mich eher zweifeln, sodass die komplette Rahmenhandlung inkl. Epilog einen faden Beigeschmack hinterlassen, der dem Film an sich nicht viel schadet, ihn aber doch ein wenig abwertet: 06/10.

Freitag, November 19, 2010

DVD-News: The Prowler, America America und mehr

Lange ist's her, dass es an dieser Stelle DVD-News gab aber es schadet sicherlich nicht, diese kleine Rubrik wiederzubeleben. Der Fokus liegt weiterhin bei "alten Schinken", wobei ich zukünftig versuchen werde, auch stärker auf den RC 2-Bereich einzugehen. Ebenfalls Beachtung sollen die Made on Demand-Dienste finden, die ich zwar nicht vollends begrüße, meinen Widerstand aber insofern aufgegeben habe, dass ich die ersten Scheiben zwecks fehlender Alternativen bestellt habe.

Standard-DVDs & Blu-rays:

Beginnen möchte ich aber mit altmodischen, gepressten DVDs und da hat mich speziell eine Ankündigung jüngst sehr erfreut. VCI Entertainment veröffentlicht in Zusammenarbeit mit dem UCLA Film & TV Archiv und der Film Noir Foundation (Mitglied werden, ich bin's schon) Joseph Loseys The Prowler aus dem Jahre 1951. Dabei greift man auf eine Restauration der Film Noir Foundation zurück und jene DVD ist hoffentlich der Anfang einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung. An dieser Stelle sei gesagt, dass Robert Parrishs Cry Danger (1951) im Grunde bestätigt wurde, als Teil des Abkommens.
Nun aber zurück zu The Prowler, der ab dem 01. Februar 2011 erhältlich sein wird und auch ordentlich Bonusmaterial mit sich führt:

  • Audio Commentary by Film Noir Expert Eddie Muller
  • The Cost of Living: Creating The Prowler with James Ellroy, Christopher Trumbo, Denise Hamilton and Alan K. Rode Featurette
  • Masterpiece in the Margins Bertrand Tavernier on The Prowler
  • On the Prowl Restoring The Prowler
  • Photo Gallery
  • Original Theatrical Trailer

Am selben Tag, ebenfalls von VCI, wird auch ein Pre-Code Double Feature das Licht der Welt erblicken. Hauptattraktion ist dabei Henry Kings Hell Harbor (1930), der seine DVD-Premiere feiern wird. Als zweiter Film befindet sich Jungle Bride (1933) von Harry O. Hoyt und Albert H. Kelley an Bord, der schon von Alpha, dem gefürchteten PD-Label, herausgebracht wurde. Mein Rat bei diesem Double Feature ist, erst einmal Reviews abwarten.


Warner, im Grunde vom Pfad der "echten" DVDs abgekommen, startet 2011 mit einer netten Überraschung. So wird Elia Kazans America, America (1963), der kürzlich in dem großen Kazan-Set - welches leider fast nur schon erhältliche Filme in bekannten DVDs beinhaltet - erschienen ist. Am 08. Februar 2011 wird jedoch ein Einzel-Release spendiert. Als einziges Extra befindet sich ein Audiokommentar des Filmhistorikers Forster Hirsch an Bord.


Auch Criterion hat unlängst das Februar-Programm bekanntgegeben. Mein Highlight, und deswegen findet es hier auch Erwähnung, ist Alexander Mackendricks Sweet Smell of Success (1957), der zu jenen Titeln gehört, die Criterion von MGM lizensieren konnte. Wie nicht anders zu erwarten, wird das komplette Criterion-Programm angewendet, sodass die DVD und Blu-ray ab dem 22. Februar 2011 mit Bonus beladen in den Läden stehen wird:


  • New audio commentary by film scholar James Naremore
  • Mackendrick: The Man Who Walked Away, a 1986 documentary featuring interviews with director Alexander Mackendrick, actor Burt Lancaster, producer James Hill, and more
  • James Wong Howe: Cinematographer, a 1973 documentary about the Oscar-winning director of photography, featuring lighting tutorials with Howe
  • New video interview with film critic and historian Neil Gabler (Winchell: Gossip, Power and the Culture of Celebrity) about legendary columnist Walter Winchell, inspiration for the character J. J. Hunsecker
  • New video interview with filmmaker James Mangold about Mackendrick, his instructor and mentor
  • Original theatrical trailer
  • PLUS: A booklet featuring an essay by critic Gary Giddins, two short stories by Ernest Lehman featuring the characters from the film, notes about the film by Lehman, and an excerpt from Mackendrick’s book On Film-making

Made on Demand-DVDs:

Nachdem Warner im letzten Jahr mit ihrer Archive Series den Anfang machte - im Blog kann man auch ein paar Gedanken dazu von meiner Seite lesen - hat das MOD-Fieber in den USA fast jedes Studio befallen. Während Universal und MGM die Filme über Amazon anbieten, betreiben Warner und Sony eigene Internetseiten, wo man die Titel kaufen kann - als Nicht-Amerikaner jedoch nicht. Inzwischen führen aber große Internetshops die MOD-Discs, sodass der Import recht simpel ist. Die letzten Tage wurde dann verlautbart, dass MGM wohl richtig ins MOD-Geschäft einsteigen wird, sodass in den kommenden Monaten und dem nächsten Jahr bis zu 400 Titel erhältlich sein sollen. Sobald es dazu mehr News gibt, werde ich bloggen.
Am aktivsten ist weiterhin Warner, die im Grunde wöchentlich neue Titel zum Kauf anbieten, während man bei Sony einen monatlichen Rhythmus fährt. Von Universal kam hingegen lange Zeit nichts.

Neu von Warner in dieser Woche sind dann folgende Titel (nur bis 1970).

Normal:
  • Green Light (1937)
  • Never Say Goodbye (1946)
  • That Forsyte Woman (1949)
  • Footsteps in the Dark (1941)
  • Cry Wolf (1947)
  • The Man with a Cloak (1951)
  • The Secret Bride (1934)
  • The Woman in Red (1935)
  • B.F.'s Daughter (1948)
  • Hotel (1967)




Remastered:
  • The Human Comedy (1943)


Sets:
  • Luise Rainer Collection (The Emperor's Candlesticks (1937) / The Toy Wife (1938) / Big City (1937))

Donnerstag, November 18, 2010

Mosquito Man


Während hartgesottene B-Fans beim Namen Nu Image mit der Zunge schnalzen, nimmt der Ottonormalseher bei den meisten Filmen des Studios Reißaus. Denn wenn man nicht zufällig eine der wenigen A-Produktionen finanziert, z.B. Stallones John Rambo oder The Expendables, dann verdient man das Geld mit Sachen wie Mosquito Man. Wie schon bei Die Fliege findet hier eine Mutation zwischen Mensch und Insekt statt. Beim Mückenmann ist es ein Schwer-verbrecher, der zuerst entkommen kann, aber mitten in einen Versuch mit eben jenen Plagegeistern stolpert und beim darauffolgenden Schußwechsel wird die Apparatur so stark beschädigt, dass es schon bald zu einer Mutation mit Mücken-DNA kommt und der Mosquito Man ist geboren. Involviert in den Zwischenfall ist auch eine Forscherin, bei der sich die Anzeichen einer Veränderung erst im Laufe des Films zeigen werden. Nun verstreicht die meiste Zeit damit, dass der Mückenmann auf Opfersuche geht und seine Hauptmahlzeit genüsslich aussaugt. Das findet die Polizei natürlich nicht so toll und macht sich auf die Suche nach diesem Massenmörder. Erst als man Mücken-DNA an einem Tatort sicherstellt, wird man skeptisch. Natürlich wird es unweigerlich zum finalen Showdown zwischen der Mücke und den Cops kommen und auch die Forscherin wird noch ihren Auftritt bekommen. Auf inhaltlicher Ebene darf man hier natürlich mit keinen großen Erwartungen an die Sache rangehen. Ein bisschen Pseudo-wissenschaft als Erklärung, eine komische Hintergrundstory von tödlichen Mückenviren, die aber auch total neben der Spur ist und schon ist das Feld bereitet für ein wenig Insektenhorror. Die meiste Zeit plätschert der Film auch auf dem See der Belanglosigkeit umher. Die Schauspieler kommen aus den Tiefen der Unbekanntheit - einzig Corin "Parker Lewis" Nemec ist mir hier ein Begriff - und diese Mixtur aus Krimi und Horror bietet kaum Atmosphäre um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Zwar sieht die Horror-Mücke gar nicht so schlecht aus, auch die Mutation hat man schon wesentlich mieser gesehen aber der wirkliche Pfiff fehlt. Nur zum Ende hin greift man dann auch ein wenig in die Effektkiste, hackt ein paar Gliedmaßen ab, spritzt mit Filmblut um sich, doch da ist der Film schon längst in den Brunnen gefallen. Fans solcher Werke dürfen natürlich trotzdem zugreifen, mir hat es gereicht: 03/10 für Mosquito Man.

Montag, September 27, 2010

Podcast #15 (The Town)


Die neuste Episode des Filmabend.info-Podcasts ist online und diesmal widmen wir uns vier aktuellen Trailern: Hereafter, The Tourist, The Fighter und The King's Speech. Darüber hinaus tauschen wir unsere Gedanken zu Ben Afflecks neuem Film The Town aus.

Zum Podcast.

Der Todesrächer von Soho

Bevor Horst "Derrick" Tappert in seine Paraderolle als Fernsehinspektor schlüpfen durfte, wurde er auch kurzfristig durch die deutschen Lichtspielhäuser gereicht, wobei speziell seine Rollenauswahl während der 70er Jahre so einige richtige Heuler beinhaltet. Gleich dreimal startete er zusammen mit dem berüchtigten spanischen Regisseur Jesus "Jess" Franco einen Angriff auf den guten Geschmack.Eine dieser Knüller-Kooperationen ist Der Todesrächer von Soho, basierend auf einer Story von Bryan Edgar Wallace. Während Vatis Stories zehn Jahre zuvor oftmals noch im stimmigen Schwarzweiß auf die Leinwand gebannt wurden, griff man nun auf europäische Regisseure zurück und brachte Farbe ins Spiel, um das Gefühl der 70er abzulichten und den Nerv der Zeit zu treffen. Per se kein Problem, haben doch die Italiener bewiesen, wie man ähnliche Stories schick verpackt als "Giallo" präsentieren kann. Auch dort ist die Hauptgeschichte meist nicht der große Wurf, wenngleich man beim Todesrächer komplett ins Klo gegriffen hat. Dreht sich anfangs noch alles um einen mysteriösen Messermörder, der seinen Opfern freundlicherweise vorher den Koffer als Erkennungszeichen packt, schwenkt man später zu einer Megadroge, verschollenen FBI-Undercoveragenten und anderem Gedöns, um dann kurz vor Toreschluss die Stories doch noch zu vereinen. Das klingt nicht nur holprig, es ist auch so und trotz 75 Minuten Laufzeit zieht sich die Chose auch ordentlich. Richtig knuffig ist aber die stümperhafte Inszenierung. Irgendwo in der spanischen Pampa gedreht, verkauft man das Ganze als einen in London spielenden Film und aus der britischen Metropole stammen höchstens die Archivaufnahmen zu Beginn.
Sonst beschränkt man sich fast nur auf Innenaufnahmen, die auch nur in 3-4 Sets spielen, welche sich abwechseln. Streut man dann echte Außenaufnahmen ein, denkt man meist, man müsse die Optik neu justieren, so eklig ist der Weichzeichner und so ganz kann man den Eindruck nicht verlieren, die Linse war einfach nur dreckig. Tag-Nacht-Ungleiche, südeuropäische Vegetation im vermeintlichen England und Autos, die stur rechts fahren, komplettieren den Schenkelklopfercharakter. Dazu darf Franco nicht einmal in den Sleazebottich greifen und damit es trotzdem etwas fürs Auge gibt, spielt er mit allerlei unkonventionellen Kameraeinstellungen, die dem Ganzen einen prätentiösen Touch geben sollen und fürwahr, manch Außeneinstellung sieht dank Extremweichzeichner und vollkommener Statistenarmut surreal aus. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Film vollkommen Meschugge ist und so vor allem Trash- und extreme EuroKult-Fans anspricht. Der Rest stößt dürfte an seine Grenzen stoßen: 1,5/10. Insofern sollte man schon Angst vor dem Todesrächer aus Soho haben.

Töte alle und kehr allein zurück


Onkel Castellari gelangte ja jüngst zu später Berühmtheit, als Quentin Tarantino u.a. ihm mit seinem Inglourious Basterds eine Hommage kredenzte, auch wenn die Basterds mit den originalen Bastards nicht so viel gemein haben. Unbekannter sind da schon eher seine Ausflüge ins Westerngenre. Sieht man nämlich einmal von Keoma ab, dürften Filme wie Töte alle und kehr allein zurück nicht gerade zum Standardrepertoire der meisten Filmfreunde gehören. Letzteres ist dann aber auch nicht übermäßig verwunderlich, gehört Castellari sicherlich nicht zu den großen Westernexperten. Das Action-/Crimekino ist schon eher sein zu Hause und so ist dann auch jener Töte alle und kehr allein zurück mehr ein Actionfilm im Westerngewand, dessen Story aber auch in fast jedes andere Genre hätte transportiert werden können. Angeheuert von den Südstaaten, soll eine kleine Gruppe Söldner einen Stützpunkt der Nordstaaten angreifen, um das dort gelagerte Gold zu klauen. Angeführt wird der Trupp von Clyde Mac Kay (Chuck Connors), der einige Spezialisten unter sich vereint hat, u.a. den Messerexperten Blade, den Mann fürs Grobe Bogard oder den schießwütigen Kid.nWas die Männer nicht wissen, Clyde und der Südstaaten Captain Lynch (Frank Wolff) haben abgemacht, dass diese jedoch nicht lebend von der Mission zurückkehren werden. Das Unternehmen verläuft nach Plan, bis die Männer nach erfolgreichem Diebstahl an einem Flußübergang festgenommen werden. Sie trauen ihren Augen nicht, als Lynch plötzlich in der Uniform der Nordstaaten vor ihnen steht. Nun beginnt ein weiteres, perfides Spiel um das gestohlene Gold. So reiht sich bei diesem Western auch eine Schlägerei an die nächste, eine Explosion folgt der anderen und Ruhe kehrt selten ein, Westernatmosphäre aber leider auch nicht. Auch die Story wirkt bei näherer Betrachtung sehr fragwürdig - wahrscheinlich legt der Film deshalb ein hohes Tempo an, damit man gar nicht so sehr ins Grübeln kommt. Im Vergleich zu Castellaris späteren Werken sind diese Szenen zwar routiniert inszeniert aber bei weitem nicht so spektakulär wie man es aus seinen anderen Werken kennt. Darüber hinaus krankt der Film an seiner Besetzung. Während Frank Wolff ein bekanntes Gesicht des Italokinos war und seine Sache ganz ordentlich macht, wirkt speziell der Amerikaner Chuck Connors mit seinem Dauergrinsen fehl am Platze und erinnert irgendwie an Paul Hogan aus Crocodile Dundee. Zwar ist der Film auf seine Art noch immer unterhaltsam aber einen bleibenden Eindruck hinterlässt Töte alle und kehr allein zurück nicht: 5,5/10.

Sonntag, September 05, 2010

Podcast (The Expendables, Centurion)


Omahabitch und ich haben heute die 14. Folge des Filmabend.info-Podcasts aufgenommen. Neben einer kurzen Einschätzung zu den Trailern von 127 Hours und Black Swan gibt es auch jeweils eine kurze mündliche Abhandlung zu Centurion (von omahabitch) und The Expendables (von mir). Wünsche viel Spaß. Kommentare können auch gerne hier hinterlassen werden.

Zum Podcast: Klick mich!

Freitag, September 03, 2010

Bewegliche Ziele

Die interessantesten Geschichten schreibt noch immer das Leben. Unter der Prämisse, Boris Karloff schulde ihm noch zwei Drehtage und er müsse Stockfootage aus The Terror - Schloss des Schreckens (1963) benutzen, genehmigte der legendäre Roger Corman Peter Bogdanovichs ersten bekannten und von der Kritik geschätzten Kinofilm: Targets bzw. Bewegliche Ziele – so der deutsche Titel.
Anstatt jedoch aus dem Stockfootage und eigenem Material ebenfalls in Richtung Gothic-Horror zu gehen, entschied sich Bogdanovich, im Stile des aufblühenden New Hollywood-Kinos, den Horror der Neuzeit auf die Leinwand zu bannen und gleichzeitig schuf er einen letzten Genrehöhepunkt für den Altmeister Boris Karloff.

Die Geschichte erstreckt sich dabei in zwei zunächst parallelen Handlungssträngen. Auf der einen Seite verfolgt der Zuschauer den gealterten Horrorstar Byron Orlok (Boris Karloff), der, sichtlich unzufrieden mit seinem letzten Film, nach einem Testscreening – das Material von The Terror wird hier teilweise eingesetzt – sein Karriereende bekannt gibt. Für seinen Regisseur Sammy Michaels (Peter Bogdanovich) ist das ein Schock, hat er doch die perfekte Rolle für Orlok in seinem nächsten Film, der ganz anders sein soll, als die bisherigen Produktionen mit ihm. Doch Orlok lässt sich nicht umstimmen, auch wenn Michaels ihn immer wieder bedrängt. Orlok ist sich sicher, dass die (Schauspiel)Zeit für ihn abgelaufen sei und die Menschen Angst vor ganz anderen Dingen hätten als noch vor 30-40 Jahren. Nur zu einem letzten Auftritt lässt er sich überreden: die Vorstellung seines neusten Films in einem örtlichen Autokino.
Nahezu gleichzeitig beobachtet man Bobby Thompson (Tim O’Kelly), Typ Nachbarn von nebenan, wie er in einem Waffengeschäft ein Gewehr kauft. Anfangs nichts Ungewöhnliches, doch ein Blick in seinen Kofferraum verheißt nichts Gutes: ein ganzes Waffenarsenal führt er mit sich. Zusammen mit seiner Frau und seinen Eltern wohnt er in einem Einfamilienhaus. Der Zuschauer merkt, dass es in ihm brodelt, und auch Bobby bemerkt seine Entwicklung, doch zu einem Gespräch mit seiner Frau kommt es nicht mehr, da sie während des täglichen Trotts scheinbar keine Zeit für eine Aussprache haben. So folgt der Ausbruch des Vulkans wenige Tage später und Bobby erschießt erst seine Frau, dann seine Mutter und zieht, bis an die Zähne bewaffnet los, um von Industriesilos vorbeifahrende Autos auf dem Highway zu beschießen. Als die Polizei dies bemerkt, flüchtet er und sucht sich ein neues Ziel, indem er sich hinter der Leinwand des nächsten Autokinos verbarrikadiert…

Nun braucht man sicherlich kein Filmstudium um zu erahnen, dass es schlussendlich zu einem Aufeinandertreffen zwischen Byron und Bobby kommen muss, dem modernen Horror und der „antiken“ Variante, doch bevor es soweit ist, bekommt der Zuschauer erst einmal einen Einblick in das Leben der 60er, eine Zeit, die auch Byron nicht mehr zu verstehen scheint. Der Wandel in der Gesellschaft wird also anhand zweier Personen, Byron und Bobby, dargestellt. So ist vor allem die mangelnde Kommunikation der Menschen zu beobachten, die im Falle von Bobby zwar unter einem Haus leben, sich aber nur über Nichtigkeiten austauschen oder gemeinsam die Abende vor dem Fernseher verbringen, wenngleich Bobby seine Probleme gegenüber seiner Frau andeutet, die ihn aber zurückweist.
Byron hingegen ist es Leid, wie ein Relikt vergangener Tage in miserablen Produktionen angegafft zu werden – ein nicht zu übersehender Seitenhieb auf so manch filmischen Ausrutscher in Karloffs Karriere.

So ist der Film nicht nur von der Story her zweigeteilt, sondern auch von der Atmosphäre. Immer wenn Bobby zu sehen ist, macht sich ein Gefühl von Unbehagen breit, diese latente Gefahr, die Ruhe vor dem Sturm und man denkt, er könne jederzeit explodieren. Byrons Part wirkt dagegen viel gelöster, was auch an Sammys Charakter liegt, der ja versucht, Byron noch umzustimmen und so z.B. mit ihm einen Trinkabend in seinem Hotelzimmer veranstaltet, inkl. Kater und einem „schrecklichen Erwachen“. Hier zeigt Karloff auch ungeahnte komödiantische Talente. Deutlich merkt man auch den New Hollywood-Einschlag. Einerseits anhand der Thematik und andererseits an der Optik des Films. Besonders die Außenaufnahmen wurden hier im Guerilla-Stil ohne Genehmigungen gedreht und auch sonst wird bei der Inszenierung auf das Opulente der Spät 50er und 60er Jahre verzichtet und so gibt sich der Film passend zu seinem Thema recht nüchtern, was sich auch im Fehlen eines Score niederschlägt.

Mit Targets ist Bogdanovich jedenfalls ein überaus intelligenter und packender Film gelungen, der jedem Interessierten ans Herz gelegt werden kann: 08/10.