Beschäftigt man sich etwas näher mit dem Phänomen des italienischen Westerns, so wird man bei diversen Filmen immer wieder Gemeinsamkeiten finden. Oft hat es den Anschein, als wenn die jeweiligen Produktionen immer wieder aus Motivmosaiken bestehen, die beliebig ausgetauscht werden können und gern verwendet wurden: Rache, Gier und das ganze Spektrum menschlicher Gefühle gehören dazu, genauso wie das durch diese Filme etablierte Bild des archetypischen Fremden, der den Colt sprechen lässt und dazu höchstens noch einen zynischen Spruch über die Lippen bekommt. Dass man diese Themen abe
r gekonnt variieren und ergänzen kann, ist nur wenigen Regisseuren klar geworden oder anders ausgedrückt: Nur wenige hatten das Talent einen Meilenstein des Genres zu schaffen.
Zu diesen Männern zählen ohne Zweifel die drei Sergios: Leone, Corbucci und Sollima, deren Western alle etwas Besonderes darstellen und zum Besten zu zählen sind, was das Genre je hervorgebracht hat. Zu diesem elitären Kreis kann man durchaus noch weitere Vertreter hinzufügen, unter anderem auch Tonino Valerii, der mit seinem zweiten Beitrag,
Der Tod ritt dienstags, das Motiv des einsamen Revolverheldens aufgegriffen hat und diesem einen jungen, wissbegierigen Protagonisten zur Seite gestellt hat. So ist es dann auch das konkurrierende Spiel beider Parteien und Schauspieler, verpackt in einer spannenden Geschichte, welches diesen Film ganz klar aus dem Sumpf des Durchschnittsitalos hinauf auf den Genreolymp befördert.
Der junge Scott (Giuliano Gemma) führt kein leichtes Leben. Seine Mutter oder seinen Vater hat er nie kennen gelernt und so lebt er seit über 20 Jahren in einem beschaulichen Ort, dessen Bewohner jedoch alles andere als nett sind. Aufgrund Scotts Vergangenheit und seiner Mutter, wird er allerorten als Bastard beschimpft und muss für die feine Gesellschaft der Gemeinde die Drecksarbeit erledigen. Er hat nur einen Traum: Endlich Respekt zu genießen und eine Waffe zu besitzen, die ihm diesen verschafft. Es scheint, als würde genau dies wahr werden, als er einen Fremden die Main Street hinunter reiten sieht.
Schon mit dieser Exposition betritt Regisseur Valerii Neuland. So wird uns der spätere Held Scott als ein armer Kerl vorgestellt, der schikaniert und verhasst wird, sich aber zunächst dagegen nicht wehren kann. Ein eher ungewohntes Bild im Genre und auch eines Giuliano Gemmas, dem ein gewisses Sunnyboy-Image anhaftete. So sind die Sympathien schnell verteilt: Auf der einen Seite Scott und auf der anderen Seite die vermögende Bürgerschaft des Ortes, die sich einen Spaß daraus macht, die Schwachen zu kommandieren, nach außen aber eine weiße Weste pflegt. Es ist also unverkennbar, in welchen Gefilden wir uns befinden. Die Grenze zwischen Gut und Böse ist im Italo-Western fließend, ein jeder hat seine Leichen im Keller.
Aber noch etwas Weiteres fällt schon zu Beginn auf. Es ist das Geschick und die Liebe zum Detail, die in die Inszenierung investiert wurde. Die Kam
eraarbeit ist überaus flüssig und vermittelt einen guten Eindruck vom Ort des Geschehens, während die Musik Riz Ortolanis die in uns aufkommenden Gefühle gekonnt verstärkt. Man merkt also auch auf der technischen Ebene, in welchen Sphären wir uns befinden.
Das genaue Kaliber des Films erkennt der Zuschauer aber spätestens dann, wenn Lee van Cleef die Bühne betritt. Er ist der Fremde. Er ist Frank Talby. Er verkörpert all das, was den typischen Antihelden des Italowesterns ausmacht: wortkarg, schnell mit dem Colt und durch seine unbekannte Vergangenheit liegt immer etwas Mysteriöses in der Luft. Es ist also dieser Frank Talby, an den sich Scott nach einer tödlichen Auseinandersetzung im Dorf wendet. Von ihm möchte er den Umgang mit der Waffe lernen, um ein für alle Mal mit seinem bisherigen Dasein abschließen zu können und sich Respekt zu verschaffen.
Ab diesem Punkt im Film, dem Zusammentreffen zweier Genrestars, entfaltet sich der Film zu einem wahren Gaumenschmaus für alle Fans. Man merkt förmlich, wie die beiden Akteure um die Gunst des Publikums wetteifern und in der Gegenwart des Anderen zu Hochleistungen auflaufen. So ist auch der Prozess des „Anbandelns“ und Lernens von Valerii sehr behutsam und teils humorvoll inszeniert – ich erinnere da nur an die wunderbar photographierte Verfolgungsjagd in der Wüste und den beiden unterschiedlichen Scores - und Scott muss einige schmerzhafte Lektionen über sich ergehen lassen, bis Talby ihn als seinen Schüler akzeptiert. Es ist aber auch dieser Kampf Scotts, der den Film zu diesem Zeitpunkt mit Leben füllt, denn die Spielfreude ist den beiden Akteuren wahrlich anzumerken.
Damit nicht genug, entfaltet Valerii in diesem Abschnitt noch einen weiteren Subplot und das Publikum taucht etwas in Talbys Vergangenheit ein. Viele Informationen werden nicht preisgegeben. Man weiß nur, dass er hinter einer großen Summe Geld her ist und dabei über Leichen geht. An seiner Seite Scott, der das ABC des Revolverhelden beigebracht bekommt und schon bald seinen ersten Menschen umbringt.
Es ist übrigens ein cleverer Schachzug des Regisseurs, Talbys Vergangenheit weitestgehend im Dunkel zu halten, sodass das
Ungewisse immer in der Luft liegt und so viel Spannung generiert wird. Jene wird dazu noch durch den langsamen Wandel Scotts verstärkt, der immer mehr zu einem Abbild seines Lehrmeisters und Vaterersatzes wird. Denn, das sollte man nicht vergessen,
Der Tod ritt dienstags, erzählt über weite Strecken eine Vater-Sohn-Geschichte, teils in doppelter Hinsicht, gibt es noch eine zweite Vaterfigur für Scott: Murph, den alten Stallburschen und späteren Sheriff seines Heimatortes.
Übrigens gibt sich der Film auch in Sachen Action keine Blöße, nehmen doch die Toten mit steigender Laufzeit auch zu und auch diese Szenen sind handwerklich sehr gut in inszeniert, wenngleich sie nicht die epische Brillanz eines Sergio Leones erreichen.
Je mehr sich Scott nun also Talby ähnelt, desto näher kommen wir auch zum Klimax des Films. So kehren die beiden auf der Suche nach Talbys Geld auch in Scotts Heimatort zurück, haben doch so manche Bürger wahrlich eine Leiche im Keller, besser gesagt Talbys Vermögen. Gegen Franks durchtriebene Art und seine bleiernen Argumente kommen sie jedoch nicht an und schon bald reißt Talby große Teile des Ortes in seinen Besitz. Erst langsam merkt Scott, dass er sich dabei immer mehr zu der Art Person verändert hat, die er früher verabscheut hat und dass die Methoden, die er und sein Freund anwenden ebenso wenig koscher sind. Doch noch wendet er sich nicht von seinem Mentor ab.
Es ist dieser Teil des Films, der mir stellenweise missfallen hat. So ist zwar Scotts Lernprozess recht detailliert beschrieben aber sein sich anbahnender Sinneswandel scheint etwas schlecht herausgearbeitet zu sein, wirkt er doch ziemlich überraschend. Hier hätte Valerii vielleicht etwas mehr Zeit und Schweiß investieren können. Sicherlich ist der finale Auslöser für seinen Positionswechsel: Das Duell Talbys gegen Murph, den neuen Sheriff, nachvollziehbar aber auch im Vorgriff hätte man besser drauf hinarbeiten können. Das ist jedoch nur ein kleiner Minuspunkt in diesem sonst überaus gelungenen Western, der zu
m Ende hin nicht nur noch einmal ein hohes Maß an Spannung generiert, sondern auch einer Westernlegende, Doc Holliday, die Ehre erweist. So wird die Geschichte auch dann noch einmal mit einem Paukenschlag beendet, bei dem all jene im Film vorher schon angesprochenen Regeln eines guten Revolverheldens noch einmal zum Einsatz kommen.
In
Der Tod ritt dienstags passt einfach alles: Darsteller, Geschichte, Musik und Technik und das ist in diesem Genre echt selten. Deshalb ist der Film nicht nur unter Fans überaus beliebt, sondern eignet sich auch ausgezeichnet, um Außenstehenden diese andere Form des Westerns näher zu bringen. So schließe ich meinen Exkurs in dieses staubige Gefilde mit diesem Werbespruch ab:
Lee Van Cleef has been dirty, "ugly" and downright mean... now watch him get violent. 09/10
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