Samstag, April 14, 2007

Der Bulle


Wenn man vor gut drei bis vier Jahrzehnten in Frankreich einen erfolgreichen Thriller, Krimi oder aber auch eine Komödie produzieren wollte, so musste man Georges Lautner als Regisseur gewinnen. Zu seiner umfangreichen Filmographie gehören Arbeiten mit solchen Größen wie Jean-Paul Belmondo (Der Profi), Alain Delon (Der Fall Serrano), Lino Ventura (Mein Onkel, der Gangster) oder Jean Gabin, der in diesem Werk der späten Sechziger die Hauptfigur, „den Bullen“, verkörpert.

Es beginnt mit dem Tod. Das Publikum ist Zeuge einer Beerdigung und uns wird erklärt, dass wir nun im Folgenden erfahren werden, wie es dazu kommen konnte.
Am Anfang war der Raub: Eine tollkühne Bande Verbrecher überfällt einen Juwelentransport. Der ganze Ablauf deutet auf Profis hin, denn der gepanzerte Wagen wird fachmännisch geknackt und alle Spuren verwischt. Der gleichen Meinung ist übrigens auch die Polizei und einer ihrer erfahrensten Beamten, Inspektor Joss (Jean Gabin), übernimmt die Ermittlungen.

Dass es sich bei dieser Person um jemanden handelt, der in seiner Dienstzeit schon so ziemlich alles gesehen hat, wird dem Publikum schnell klar, denn seine Unterhaltung mit Gouvion, einem alten Schulfreund und Kollegen, verrät viel über ihn. Joss ist mit der Zeit abgestumpft, sein Humor ist trocken, gepaart mit einer ordentliche Prise Zynismus und Sarkasmus. Platz für große Gefühlsregungen bleibt da nicht und obwohl diese Person, ausgehend von den eben genannten Attributen, so gar nicht sympathisch wirkt, ist er es aufgrund seiner Authentizität auf der Leinwand um so mehr. Lob gebührt hier dem Drehbuchautor, der diese Person zum Leben erweckt hat und dank markiger Oneliner den Zuschauer immer wieder zum Schmunzeln bringt. Joss ist ein Bulle alter Schule, so wie er auch in unzähligen Filmen der schwarzen Serie Hollywoods anzutreffen ist, eine Parallele, die auch noch auf weitere Punkte des Films übertragbar ist.

Für noch etwas mehr Zündstoff sorgt das Drehbuch dann dadurch, dass die Komplizen des Überfalls nun genauso professionell um die Ecke gebracht werden, wie sie den Transport geknackt hatten. Unter den Toten ist auch Gouvion, seinerseits damals als Begleiter des überfallenen Konvois dabeigewesen. Unfall oder Mord? Für Joss ist der Sachverhalt klar und mit seiner unverkennbaren Art beginnt er im Untergrund Nachforschungen anzustellen.

Moral? Ein Fremdwort! Joss‘ Vorgehen ist hart und das Gesetz wird mehr als grobe Richtlinie angesehen. Er ist es leid, dass verhaftete Täter schon Stunden später wieder auf die Straße können, hat resigniert angesichts des täglichen Wahnsinn und spätestens dann, als er erfährt, dass sein toter Kollege ebenfalls Dreck am Stecken gehabt hat, scheint auch sein Weg endgültig besiegelt und damit auch das Ende des Falls. Es wird keine Gnade herrschen. So kann man hier auch inhaltlich sagen, dass man durchaus die Wege eines Film Noirs beschreitet, wenngleich noch etwas harmloser, was die moralischen und seelischen Abgründe seiner Protagonisten angeht. Hier wird ganz klar mehr Wert auf den kriminalistischen Aspekt gelegt, was aber nicht heißen soll, man habe es hier mit einer einfachen TV-Produktion zu tun. Rein vom Ermittlungsapparat bietet „Der Bulle“ zwar nichts Neues., entschädigt aber durch die markanten Charaktere. Inhaltlich wird jedoch zielstrebig auf die finale Konfrontation hingearbeitet, ohne dabei den bekannten Pfad zu verlassen. Keine Subplots, ein begrenztes Ensemble, damit muss der Film auskommen und seine Spannung generieren. Leider hapert es hier jedoch, denn die sehr konservative und lineare Erzählweise erweist sich als kaum abwechslungsreich und führt zu Ermüdungserscheinungen beim Zuschauer. Ein Glück, dass die Laufzeit mit etwas über 80 Minuten sehr gering ausgefallen ist und so noch Schlimmeres vereitelt wird.

Auch wenn man inhaltlich bekannte Kost serviert bekommt, so lässt es sich von der technischen Seite nicht verheimlichen, dass wir uns fast an der Schwelle von den Swingin‘ Sixties zu den offenherzigen Seventies befinden. Sowohl der unverkennbar aus dieser Zeit stammende Synthesizer-Score, der in mancher Szene schon bis zur Grenze des Erträglichen ertönt, wie auch Ausstattung und Requisite sind authentische Zeugnisse ihrer Zeit. Besonders die Szene in der futuristischen Diskothek spiegelt diesen Kontrast von alter Gangsterfilmschule und modernen Einflüssen wunderbar wieder. Umgeben von wild tanzenden Teens und Twens, Glitter und nackter Haut, wirkt Gabin mit seinem grauen Haar und dem konservativen Anzug wie ein Überbleibsel eines fremden Jahrzehnts. Ein interessanter Aspekt, der inhaltlich durchaus im Rahmen liegt und verdeutlicht, dass dies nicht mehr die Zeit Joss‘ ist, der den Weg freimachen muss für Andere. Über die Art der Darstellungsweise, die komplett aus dem sonstigen Konzept fällt, lässt sich jedoch streiten.

Es ist aber auch diese Disco, die Joss mit der Geliebten Gouvoins zusammenführt, die, so erfährt man später, einen Bruder hatte, der zu den ermordeten Juwelenräubern gehörte. Zusammen mit dieser Frau entwickelt Joss, der schon lange einen Verdacht hat, wer hinter den Morden stecken könnte und einen Tipp erhalten hat, dass bald ein noch größer Coup steigen soll, einen Plan, um alle Hintermänner auf ein Mal zu beseitigen. Ganz dem Verlauf des Films folgend und im Einklang mit seinen Charaktereigenschaften ist es ein Plan auf Leben und Tod und so schließ sich zum Ende dann der Kreis und der Zuschauer kann sich nun Gewiss sein, dass er zwar gerade keine Revolution des Genres erlebt hat, dafür einen grundsoliden, zynischen Krimi sehen konnte, der genau wie Joss, aus längst vergangener Zeit zu stammen scheint. 07/10

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