Sonntag, April 22, 2007

Heute ich... morgen Du!


Noch bevor Dario Argento (Suspiria, Inferno) den italienischen Filmolymp bestiegen hat und sein weltweiter Kultstatus manifestiert war, verdiente er seine Brötchen als Drehbuchautor. So taucht er auch in den Credits diverser Italowestern auf, angefangen von Die fünf Gefürchteten bis hin zu Spiel mir das Lied vom Tod. Auch am Skript von Heute ich... morgen Du! ist er beteiligt gewesen, welches in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Tonino Cervi, der hier übrigens seinen ersten und einzigen Genrebeitrag abliefert, entstanden ist. So dürfte es auch Argentos Verdienst sein, dass sich dieser Film doch dann deutlich vom bekannten Einheitsbrei der Spaghettiwestern abhebt.

Zu Beginn jedoch Gewohntes: Nach fünfjähriger Haft wird Bill Kiowa (Brett Halsley) aus dem Gefängnis entlassen. Den Grund für seine Inhaftierung erfahren wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, da das Drehbuch Kiowas Vergangenheit noch im Dunkeln lässt und dadurch das Interesse des Zuschauers weckt. Wir wissen jedoch, Bill ist entschlossen, entschlossen sich an dem Mann zu rächen, der ihm das angetan hat. Sein Name lautet Elfego. Zusammen mit einer Söldnertruppe aus ehemaligen Soldaten und Commancheros terrorisiert er die Gegend. Allein ist jedoch kein Rankommen an diesen Mann; Bill benötigt Hilfe.

Was nun folgt ist der lang anhaltende Prozess der Rekrutierung, denn diese Prozedur nimmt gut und gerne ein Drittel der gesamten Laufzeit ein. Diese Zelebrierung der Exposition hat jedoch einen Vorteil, dass jeder der vier Angeworbenen eine eingehende Charakterisierung erhält. Schlußendlich ist eine schlagkräftige Truppe zusammengestellt, deren Mitglieder sich passend ergänzen: Den Anfang macht der grobschlächtige O’Bannion, eine Rolle wie geschaffen für den bis dato noch recht unbekannten Bud Spencer, der hier auch noch eher ungewohnt ernst agiert. Es ist übrigens auch die Phase im Film, in der man spätestens merkt, dass es nicht nur inhaltlich Abweichungen von der Norm gibt, denn auch die Landschaft sieht nicht so westerntypisch aus, wie man es gewohnt ist. Statt karger Wüstenregionen erblickt man hier eine grüne, wenngleich auch triste Herbstszenerie, die im Finale noch eine wichtige Rollen einnehmen wird. Mit dem jungen Frauenheld Bunny Fox, dem ehemaligen Sheriff und Soldaten Milton (Wayde Preston) , zu dessen bevorzugtem Arbeitsgerät eine gekürzte Winchester gehört und dem gerissenen Spieler Colt Moran (William Berger) ist das Quintett dann komplett. Bis auf ihre Profession und diese noch nicht einmal bei allen, wissen wir nichts über sie, außer der Tatsache, dass sie bei einer entsprechenden Summe Dollars keine Fragen stellen, dafür jedoch zu allem bereit sind.

So findet in diesem Abschnitt nicht nur die Zusammenführung der Gunfighter statt, er enthält auch eine bitterböse Reflexion über das „gelobte Land“, sozusagen eine Entmystifizierung Amerikas bzw. des Westerns allgemein. Anstatt Heldensagen entscheidet hier ausschließlich die Menge des Geldes darüber, wer leben und wer sterben darf. Gutmenschen sucht man vergebens in dieser zynischen Darstellung und auch das Gesetz hat keinen großen Stellenwert. Bezeichnen dafür ist die Szene, in der der Sheriffstern an den nächstbesten Strolch weitergegeben wird. Dass hier die Sprache der Colts gesprochen wird, ist unmissverständlich, ebenso, dass das Bild Amerikas jenseits des Atlantiks wesentlich differenzierter dargestellt wird, als in vergleichbaren US-Produktionen jener Zeit.

So schreitet der Film, der zwar in seiner Exposition schon einige Actionsequenzen gehabt hat, ansonsten aber eher ruhig erzählt wird, voran, um in seinem Verlauf nicht nur Bills Historie durch den gekonnten Einsatz schwarzweißer Flashbacks darzulegen, sondern auch, um die finale Konfrontation mit Elfego zu suchen. So wird jetzt merkbar an Dynamik zugelegt, Zusammenstöße mit Elfegos Bande eingestreut, kleine sadistische Spitzen, die die Spannung und den Haß steigern, bis man zum Unvermeidbarem kommt: dem Showdown.

Es ist ein Duell auf Augenhöhe. Im Vergleich zu vielen weiteren Genrebeiträgen hat man hier nämlich die Rolle des Bösewichts gleich stark besetzt. Mit Tatsuya Nakadai übrigens recht ungewöhnlich, ist er doch Japaner und dazu kein Unbekannter, kann man ihn doch in diversen Samuraiverfilmungen bestaunen. Kein Zufall, wollte Tonino Cervi diesem Genre mit Heute ich... morgen Du! doch Referenz erweisen. Dass Nakadai Talent hat, ist unverkennbar, denn wenn die Kamera sein Gesicht einfängt, spricht dieses Bände. Angespannt, mit zutiefst aggressivem Blick, verkörpert er seine durchweg böse Rolle perfekt. Die Abneigung des Publikum ist ihm gewiss.


Wie es schon beim restlichen Verlauf dieses Westerns zu Brüchen mit Genrekonventionen gekommen ist, so findet auch das Finale nicht etwa auf der Main Street eines Westernstädtchens statt, sondern im Wald, wo Bills Mannen in Guerillamanier Elfegos Trupp dezimieren. Durch den Wechsel von Tag und Nacht und dem herbstlich kargen Wald, wird noch einmal eine bedrohlichere Atmosphäre erschaffen, die dem Showdown das entscheidende Flair gibt und der Film so einen würdigen Abschluss findet.

Wer also nun auf der Suche nach etwas Abwechslung im Dickicht der diversen Italowestern ist, der sollte sich Oggi a me... domani a te! zu Gemüte führen, vereint er doch inhaltlich alle Aspekte, die das Subgenre vom großen US-Bruder unterschieden, präsentiert sie jedoch in einer tollen, anderen Verpackung. Da kann man auch über die teilweise vorhandene Trägheit der Inszenierung und die mäßige deutsche Sprachfassung hinwegsehen.08/10

Keine Kommentare: