Freitag, Juni 01, 2007

Singapore Sling


Heutzutage mit einem Film noch richtig überraschen zu können, Konventionen zu sprengen, ist ganz ganz selten. Viel zu festgefahren sind die Genre und die Sehgewohnheiten des Zuschauers. Der Respekt vor dem Medium scheint gewichen, doch wer sich einmal Nikos Nikolaidis' Singapore Sling angeschaut hat, der wird sich hüten, einen Film nocheinmal vorschnell in einer Schublade abzulegen. Es beginnt wie im klassischen Film Noir: In schwarz-weiß gehalten, prasselnd der Regen hinab und wir lernen per Voice Over einen Mann kennen, der getrieben von der Liebe zu einer Frau in die Abgründe der menschlichen Seele schauen wird. Seine Suche nach Laura, so der Name der "Glücklichen", führt ihn zu einer einsamen Villa, wo er von einem sadistisch-inzestuösem Mutter-Tochter-Gespann gekidnappt und misshandelt wird. Dasselbe Gespann ist übrigens auch für den Tod Lauras verantwortlich. Nicht von ungefähr trägt die unerreichbare Dame diesen Namen, weist Singapore Sling doch viele Parallen zu Otto Premingers Klassiker Laura auf. Doch all jene Konventionen des Film Noir werden auf die Spitze getrieben und über Bord geworfen, nachdem Singapore Sling, so wird er von seinen Kidnapperinnen genannt, in der Villa festgehalten wird, denn eine abstoßende Prozession aus Sex, Gewalt und Fäkalien muss er stetig über sich ergehen lassen. Eine Mixtur, die auch der Zuschauer nicht so schnell vergessen wird. Dazu kommt das verstörende Spiel der Protagonisten. Diese morbide Atmosphäre, untermalt von einem perfekten Jazzsoundtrack, wird nur durch einige slapstickartige Momente aufgehellt und so entwickelt der Film zum Teil noch andere Qualitäten und präsentiert sich dem Publikum so zum Beispiel auch als rabenschwarze Komödie. Wer ein Ticket für diese Fahrt löst, weiß bis zur Einblendung des Endes nie genau, wohin er geführt werden wird. Erschreckend, abschreckend, wunderbar. 08/10

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