Samstag, Dezember 23, 2006

Bedlam


Val Lewton, ein Name, der besonders bei Liebhabern klassischer Horrorfilme für Freudentränen in den Augen sorgt, ist er doch ein Garant für handwerklich und inhaltlich überzeugende Schauermärchen, die in den 40er Jahren in den USA entstanden sind. Zeichnet er sich doch als Produzent solcher Genreklassiker wie „Cat People“ oder „I Walked with a Zombie“ verantwortlich. Auch in seinen weniger bekannten Werken ist die Handschrift Lewtons unverkennbar, wie auch im 1946er „Bedlam“, für den er erneut den weltbekannten Frankensteindarsteller Boris Karloff an Bord holen konnte.

Nach einer erniedrigenden Theatervorstellung einer "Schauspieltruppe" eines Irrenhauses, beginnt Nell Brown (Anna Lee), Protegée Lord Mortimors (Billy House), sich für die Zustände in dieser Einrichtung zu interessieren. Dies missfällt dem Direktor der Anstalt George Sims (Boris Karloff) natürlich, müssen die Insassen doch menschenverachtende Umstände über sich ergehen lassen. Mit Hilfe des Quäkers Hannay möchste sie Reformen erwirken, die die Situation verbessern sollen. Alle Versuche Mortimors und Sims Anna Lee umzustimmen scheitern und so wird sie kurzerhand ebenfalls in das St. Mary's of Bethlehem Asylum eingewiesen, doch auch hier findet sich Anna schnell zurecht...

Für Freunde moderner Genrebeiträge gar fremdartig, scheint die erste Hälfte „Bedlams“ nicht auf einen Horrorfilm hinzudeuten. Zwar beginnt hier alles mit einem Mord, doch die folgenden Einstellungen beschäftigen sich viel mehr mit den verschiedenen Charakteren des Films. Man lässt sich bei der Einführung Zeit, überstürzt nichts, sondern begnügt sich mit einer detaillierten Darlegung der Motive und Eigenschaften der für den Film wichtigen Personen. So begegnet der Zuschauer zu Beginn Lord Mortimor und „seinem Schützling“ Nell Brown, deren Hauptaufgabe das Amusement ihres korpulenten Gönners ist. Das Bild, das Lewton, hier auch am Drehbuch beteiligt, in den nächsten Minuten von der Londoner/brit. Elite bzw. Oberschicht im Allgemeinen zeichnet, spiegelt sich vor allem in Dekadenz und Sadismus wieder. Der Inbegriff letzteren scheint der Direktor der örtlichen Innenanstalt Sims, ausgezeichnet verkörpert durch Boris Karloff, zu sein, lässt er doch die Insassen seiner Anstalt, deren Schutzbefohlener er ist, zur Unterhaltung Mortimors ein Theaterspiel aufführen und nimmt billigen den Tod seiner Patienten in Kauf. Obwohl die Inkarnation des Bösen, ist Sims Darstellung doch subtil von Lewton gewählt, erkennt man seine menschenverachtende Ader besonders in seinen Äußerungen als zynische Zwischentöne. Ein cleverer Schachzug, denn so wird zum einen Sims nicht zu verleugnende Intelligenz betont und zum anderen lässt es ihn so wesentlich bedrohlicher wirken, als er es bei einer plumperen Herangehensweise wohl gewesen wäre. Aus dem oben genannten Vorfall und aus einer Begegnung mit einem Quäker entnimmt Nell die Motivation nicht nur die Anstalt zu besuchen, sondern auch die Lebensumstände der Insassen zu verbessern. Im Verlauf des Films entwickelt sich Nell so zu einer überaus starken wie intelligenten Heldin, deren Attribute bei vorangegangenen Zusammenkünften mit Mortimor und Sims zwar angedeutet wurden, aber erst jetzt zum Vorschein kommen. Es ist interessant mit anzusehen, dass die Rolle der Frau im Hollywood dieser Zeit so stark betont wird, sie nicht nur als Femme fatale den Film-Noir unsicher gemacht hat, sondern auch zum Beispiel in den Werken Lewtons eine bedeutende Rolle spielt.
Alle Versuche der männlichen Akteure Nell in die Schranken zu weisen, schlagen fehl und auch ihre Inhaftierung, mit der man jetzt auch optisch das Terrain des Horrors betritt, überwiegt hier doch eine düstere, dunkle Atmosphäre, kann sie nicht aufhalten, obsiegt hier ihre menschliche Art mit den Insassen umzugehen. Wie in so vielen Genrebeiträgen spielt hier also auch eine gesellschaftskritische Komponente mit herein, durch die der Film an Tiefe gewinnt, wird doch die derzeitige Situation der Patienten als Hölle auf Erden dargestellt, zusammengefercht in einem Raum, ohne sanitäre Einrichtungen oder richtige Schlafmöglichkeiten. Weder besteht die Möglichkeit sich untereinander zu helfen, geschweige denn von der Außenwelt beachtet zu werden. Leider kann der Part im Asylum mit der stärkeren ersten Hälfte nicht ganz mithalten. Zwar werden die Daumenschrauben kontinuierlich enger gedreht, doch die nötige Suspense fehlt in diesem Abschnitt schon, um die Szenerie ausreichend bedrohlich wirken zu lassen. Sicherlich wurde hier dem Production Code Tribut gezollt, durch dessen Regeln all zu drastische Darstellungen in Filmen unterbunden wurden. Nichtsdestotrotz ist dieser Part immer noch ansehnlich genug, um den Zuschauer versöhnlich zu stimmen und auf ein Finale mit einem kleinen Clou muss man trotzdem nicht verzichten. So ist das Ende schließlich konsequent umgesetzt und gibt dem Film eine denkwürdige Schlusseinstellung.

Lob gebührt hier nämlich auch dem Kameramann, der es geschickt verstanden hat, nicht nur die pompöse erste Hälfte, sondern auch den düsteren zweiten Abschnitt durch den geschickten Umgang von Licht und Schatten in Szene zu setzen.
Ebenso gewinnbringend wie die am Film beteiligten Techniker, ist der sehr gut agierende Cast. Hier muss man besonders Boris Karloff und Anna Lee hervorheben, die die tragenden Figuren des Films sind. Karloffs Wortwitz und sein größtenteils zurückhaltendes Spiel verleihen seiner Figur ein ganz besonders Markenzeichen. Ihm gegenüber agiert Lee gefühlsbetonter, wodurch sich das Publikum besser mit ihrer Welt im Inneren und ihrer Situation identifizieren kann. Ein Großteil der Spannung entsteht so auf diese Weise. Ebenfalls überzeugend, wenngleich nur ein Nebencharakter, ist Billy Houses Verkörperung des Lord Mortimor. Durch sein naives Auftreten und in vielen Zügen einfältiges Gemüt, entstehen durch Interaktion mit den beiden Hauptdarstellern so einige amüsante Situationen, die die Atmosphäre geschickt auflockern.

Auch wenn „Bedlam“ nicht DER Horrorfilm seiner Ära ist, überzeugt der Film vor allem durch seine intelligente Handlung, der es zuweilen an Schockpotential mangelt. Mit zwei passend besetzten Hauptdarstellern und dem nötigen Händchen zur Inszenierung, entstand so eine kleine B-Perle, die bei Fans dieser Art Film auf großen Anklang stoßen dürfte. 08/10

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Finde den Film auch ganz gut. Vor allem ist er recht intelligent gemacht und recht innovativ (vor allem die Szenen die auch in späteren Filmen ähnlich auftauchen und in Bedlam vorwegenommen werden. Habe ich in einer anderen Besprechung gefunden, hier nachzulesen: http://www.filmnotiz.de/2008/09/22/willkommen-im-tollhaus/