Das hätte sich der gute William sicherlich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorstellen können. Inmitten einer Hamlet-Rezitation verlieren vier Menschen aus dem Auditorium ihr Leben. Das Stück war schlicht herzergreifend. Besser gesagt die vier Kugeln, die vom vortragenden Künstler per Revolverschuss durch den berühmten Totenschädel verteilt wurden. Nichtsein ist das nüchterne Urteil und nachdem der Zuschauer diesen höchst ungewöhnlichen Prolog verdaut hat, realisiert er schnell, dass er es hier mit einem weiteren Vertreter der italienischen Westernzunft zu tun hat; einem doch recht Ungewöhnlichem.
Irgendwann Anfang der 70er, als sich ein bierernster Racheschinken nach dem anderen auf der Leinwand breitgemacht hat, schwenkten die italienischen Produzenten um: Humor war nun die Waffe der Wahl und die nun folgenden Filme nahmen immer stärkere selbstironischere oder aber leider auch lächerlichere Züge an, oftmals verstärkt durch eine überaus zotige deutsche Synchro. Zum Glück hält sich diese bei „Spiel dein Spiel und töte, Joe“ doch vergleichsweise zurück. Nichtsdestotrotz ist die selbstironische Inszenierungsweise nicht zu verleugnen. Spätestens dann nicht mehr, als Joe (Antonio Dè Teffe), so der Name des Shakespeare-Liebhabers, von seiner drallen Tante nach der durchschlagenden Vorstellung aus dem Gefängnis geholt wird. Ganz zum Unmut des Insassens, liegt doch eine Tracht Prügel in der Luft. Glücklicherweise hat Joes Onkel jedoch vor kurzer Zeit ins Gras gebissen und eine Mine hinterlassen, wodurch das Augenmerk erst einmal darauf gerichtet wird.
Ganz im Vergleich zu den bekannten Archetypen des Genres, manifestiert durch die diversen Leone- oder Corbucci-Western, zeichnen sich die Helden der späteren Italos, so wie in diesem Beispiel, nicht nur durch ihre Fähigkeiten beim Gebrauch des Revolvers aus, sondern besitzen meistens auch noch ein überaus loses Mundwerk. Des Weiteren wird auch mit dem Hang zum Overacting gearbeitet, wodurch die Filme teilweise einen comichaften Charakter erhalten. Dies ist besonders bei „Un Uomo Chiamato Apocalisse Joe“, so der italienische Originaltitel, der Fall. Nichtsdestoweniger beherrschen noch immer bekannte Motive wie Rache oder Habgier die Szenerie und veranlassen die Protagonisten zum Handeln. Gleiches gilt auch für die vorherrschende Situation in den einzelnen Landstrichen, denn Korruption und Gewalt sind allerorten zu finden und das Gesetz ist entweder machtlos oder steckt mit den Hintermännern unter einer Decke. Es sind wahrlich keine idyllischen Orte, auch wenn der Grundtenor humoristische Züge zulässt.
Dass es relativ rauh zugeht, muss auch Joe schnell feststellen, denn nachdem er in dem Örtchen angelangt ist, in dem seine neue Immobilie zu finden ist, gerät er schnell mit dem reichen Berg (Eduardo Fajardo) aneinander, dem ein Großteil der Stadt gehört. Angeblich auch die Mine, da Joes Onkel vor dessen mysteriösem Tod seinen Anteil an genau jenen Berg verkauft haben soll. So passt es dem guten Berg gar nicht, dass nun der Neffe auf der Matte steht und so muss Joe schon bald seinen Revolver als Argumentenverstärker einsetzen. Im Ort selbst hat er jedoch wenig Rückhalt. Einzig die hübsche Barbesitzerin Rita, die wohl den tiefsten Ausschnitt des ganzen Westens hat, und ein dem Alkohol nicht abgeneigter Barbier, samt attraktiver Nichte, unterstützen unseren Helden, ganz im Gegenteil zum lokalen Sheriff. Mit klassischen Methoden scheint gegen diese Übermacht von Bergs Mannen kein Kraut gewachsen zu sein und so zieht sich Joe nach einigen kleineren Niederlagen zurück, um furioser denn je zurückzuschlagen.
Zugegeben, der Plot ist jetzt nicht der originellste aber man muss dem Regisseur Leopoldo Savona attestieren, dass er immerhin das Maximum aus ihm herausholt. Solide inszeniert, behält der Film durchgehend ein zügiges Tempo bei und Anflüge von Langeweile sind so nahezu ausgeschlossen. Immer wieder kommt es zu kleineren Scharmützeln zwischen den beiden Parteien und so wird der Zuschauer mit genretypischen Elementen wie Schlägereien und Schießereien unterhalten. Dazu kommen die teils skurrilen Charaktere, die immer wieder zur Auflockerung des Geschehens beitragen. Es ist dieser Mix, der „Spiel dein Spiel und töte, Joe“ aus dem Mittelmaß in die höhere Westernklasse hievt. Einen wichtigen Beitrag liefern da auch die Shakespeare-Zitate.
Denn nach dem ersten Debakel, als Joe von nahezu keinem Bewohner Unterstützung erhalten hat und auch der Sheriff tatenlos zusah, dieser sogar unter den Fittichen Bergs gestanden hat – übrigens ein Sinnbild in vielen Genrevertretern und ein Indiz dafür, wie sehr die amerikanische Reputation in Europa gelitten hat – ist es MacBeth, Shakespeares Drama über den Aufstieg MacBeths zum König Schottlands und späteren Tyrannen, sowie auch seinen Fall – wohl kein Zufall, dass Savona sich ausgerechnet jenes Stück ausgesucht hat, um das Finale des Films einzuläuten – mit dem der Anfang vom Ende Bergs angekündigt wird. In einem Showdown in der Stadt, der sicherlich fast ein Viertel der Spieldauer einnimmt, wird mit der Verbrecherbande abgerechnet.
Wo vorhin von mir noch die vorherrschende Dynamik gelobt wurde, ist sie an dieser Stelle schon fast zu viel des Guten, da dieser Abschnitt im Film auf Grund seiner Dauer doch zu Ermüdungserscheinungen führt. Zu wenig Variationen gibt es und auch ein wenig unspektakulär ist das Gezeigte. Szenen wiederholen sich und hier wäre weniger sicherlich mehr gewesen. Da hilft auch der schöne Bruno Nicolai-Score nicht wirklich weiter, der mit eingehenden und dem Westernfreund auch frappierend bekannten Stücken punkten kann. Es wurde eben auch innerhalb des Genres recycelt. Rückblickend ist es etwas schade, dass der positive Gesamteindruck des Films durch das monotone Ende etwas geschmälert wird. Dafür ist wenigstens die Schlusseinstellung mehr als gelungen. Shakespeare selbst hätte vielleicht Schmunzeln können.
„Un Uomo Chiamato Apocalisse Joe“ gehört für Freunde des Genres sicherlich schon fast zum Pflichtprogramm und dürfte auch für den Ottonormalverbraucher aufgrund der größtenteils gelungenen Balance zwischen Action und Humor und der überstilisierten und dadurch comichaften Inszenierung gut erträglich sein. Adäquate Unterhaltung für Zwischendurch. 08/10
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1 Kommentar:
Klasse Review! Macht direkt Lust auf den Streifen!
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